Beim Probelauf der Siegerehrung am frühen Sonntagmorgen stellte der Stadionsprecher Karla Borger und Britta Büthe , die durch freiwillige Helfer gedoubelt wurden, als Gewinner der Bronzemedaille vor. Wenige Stunden später hat das Nationalteam aus Stuttgart diese Hypothese zur Realität werden lassen. Im kleinen Finale haben Borger/Büthe die Russinnen Ekaterina Birlova/Evgenia Ukolova mit 22:20 und 21:17 in 39 Minuten geschlagen und sich damit die erste EM-Medaille überhaupt gesichert.
Karla Borger und Britta Büthe (Foto: www.tombloch.de)
"Bronze gewinnt eigentlich immer das Team, welches sich am besten zusammenreißen kann", sagte Britta Büthe . Stichwort: Zusammenreißen - am Vorabend haben die beiden Sandwühlerinnen vom MTV Stuttgart im letzten Flutlichtspiel kurz vor Mitternacht den Einzug ins Finale verpasst. Bei der klaren 0:2-Niederlage (13:21, 14:21) gegen die Tschechinnen Marketa Slukova/Barbora Hermannova fanden Borger/Büthe nie zu ihrem Spielfluss - vielleicht auch, weil das Viertelfinale am Nachmittag eine ganz besondere Nummer war. Im direkten Duell im Kampf um das zweite Ticket für die Olympischen Spiele bezwangen die Stuttgarterinnen dabei ihre Verfolger Katrin Holtwick /Ilka Semmler aus Berlin knapp mit 2:1 (21:18, 20:22, 15:13).
Hohe Berge, schwindelnde Höhen, böiger Wind und steter Regen über dem Bieler See am Fuße des Jura, alles weit entfernt vom perfekten Beachvolleyball-Ambiente - doch der Turnierstart am Mittwoch verlief mehr oder weniger problemlos. Mit 21:16 und 21:13 bezwang das deutsche Nationalteam das österreichische Duo Katharina Schützenhöfer/Lena Plesiutschnig. Nach 32 Minuten war der erste Einsatz beendet. "Wir haben in allen Elementen gezeigt, welches Niveau wir spielen können. Und weiter geht's", sagt Karla Borger angriffslustig. Mit einem kleinen Hänger am Ende des zweiten Satzes (Verlust einer 19:17-Führug) war am späten Mittwoch Abend unter Flutlicht auch der Einsatz gegen die Lokalmatadoren Nina Betschart/Tanja Hüberli auf dem Center Court mit 2:1 (21:15, 19:21, 15:12) nach 49 Minuten eingetütet.
Durch einen konzentrierten und souveränen Auftritt gegen Stefanie Schwaiger/Barbara Hansel war der Gruppensieg im Pool C perfekt. Borger/Büthe ließen den Österreicherinnen bei ihrem 2:0-Sieg (21:16, 21:11) in 30 Minuten keine Chance. Damit war direkt das Achtelfinale erreicht.
Dort kam es zum Duell gegen alte Bekannte von der FIVB World Tour, Isabelle Forrer und Anouk Vergé-Depré, die bereits als Schweizer Teilnehmer für Rio feststehen. Flutlicht, weiß-rote Fähnchen, eine phänomenale Kulisse - und ein schlechter Start des deutschen Nationalteams, welches durch eine unglaubliche Energieleistung und knallhartem Aufschlagdruck vor allem durch Karla Borger das Spiel erst drehten und dann nach 44 Minuten mit 2:1 (16:21, 21:12, 15:11) gewannen. "Ich brauch jetzt mindestens drei Stunden, bis ich schlafen kann, soviel Adrenalin habe ich in mir", sagte Karla Borger und Britta Büthe analysierte: "Wir wollten das verdammte Spiel gewinnen. Es hat sich oft gedreht, aber wir haben die langen Ballwechsel für uns entschieden. Das hat den Ausschlag gegeben."
Somit kam es zum Showdown, den sich die Beachvolleyball-Szene schon vergangene Woche beim Grand Slam in Moskau gewünscht hatte, der dann allerdings aufgrund einer nicht ganz so eingeplanten Niederlage der Berlinerinnen doch nicht zustande kam.
Nationalteam gegen Nationalteam: Karla Borger /Britta Büthe gegen Katrin Holtwick /Ilka Semmler , die zu diesem Zeitpunkt nur durch 330 Ranglistenpunkte getrennt waren. Ein Sieg für die Stuttgarterinnen würde einen riesigen Schritt in Richtung Olympia-Ticket bedeuten. Ein Sieg für die Berlinerinnen - und der Kampf um das zweite deutsche Ticket wäre wieder völlig offen und die Entscheidung somit auf den Grand Slam nächste Woche in Hamburg vertagt. Die Akteure beider Teams betonen allerdings, dass sie immer nur ans nächste Spiel denken und die Konkurrenzsituation eher von außen an sie heran getragen würde.
Die Partie war geprägt von einigen Unsicherheiten, doch Borger/Büthe hatten weitgehend das Heft in der Hand, ja sogar drei Matchbälle, die dann aufgrund von zu zaghaftem Auftreten nicht genutzt wurden. Der Tiebreak sah dann erneut nach einer klareren Angelegenheit aus, bis es plötzlich 13:13 stand. "Crunch-Time, das lieb' ich, hat Britta mir dann zu gezischt, sich umgedreht und eiskalt ein Aufschlag-Ass rausgehauen", berichtete Karla Borger nach dem Sieg auf dem Center Court, pudelnass vom Regen, aber überglücklich. Zum ersten Mal erreichten die beiden ein EM-Halbfinale. "Bisher hatten wir ja noch nicht so Glück", sagte Britta Büthe . "Einmal war ich verletzt, ein Jahr später hatten wir gerade unseren Trainer gewechselt, letztes Jahr war Karla mit ihrer Rückenverletzung außer Gefecht. Jetzt wollen wir aber auch eine Medaille." Gleichzeitig zollten Borger/Büthe den Unterlegenen ihren Respekt. "Es ist einfach toll, wie alle miteinander umgehen. Die ganzen Jahre über. Weder auf dem Warm-Up-Court noch hier nach dem Spiel. Im Gegenteil: Katrin und Ilka sind sofort zu uns gekommen, haben uns umarmt und uns gratuliert."
Weiter geht es für die Bronzemedaille-Trägerinnen am kommenden Mittwoch beim FIVB Grand Slam in Hamburg. Danach entscheidet der Deutsche Volleyball-Verband über die Nominierung für Rio de Janeiro 2016.