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Das Rekord(meister)duell: Was dieses Finale so besonders macht

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Bundesligen: Das Rekord(meister)duell: Was dieses Finale so besonders macht

13.04.2024 • Bundesligen Autor: Christof Bernier 180 Ansichten

Lange sah es so aus, als könnten die Helios Grizzlys Giesen diesmal dazwischenfunken. Sie hatten den VfB Friedrichshafen am Rande des Ausscheidens, aber nach fünf Halbfinalspielen um die Deutsche Meisterschaft hatten sich nach Titelverteidiger Berlin Recycling Volleys auch die Häfler gegen die Niedersachsen durchgesetzt.

Das Rekord(meister)duell: Was dieses Finale so besonders macht - Foto: Günter Kram

Foto: Günter Kram

Wieder einmal: Damit kommt es erneut zum "ewigen Finale" zwischen den deutschen Topteams, die sich zum elften Mal in Folge in der Endspielserie gegenüberstehen. Danach kann es nur noch einen Rekordmeister geben: Beide Klubs haben den bedeutendsten nationalen Titel bislang dreizehn Mal gewonnen. Am Montag (15. Apr um 19.30 Uhr) steigt das erste Finale im Volleyballtempel.

Es ist der Klassiker des deutschen Volleyballs mit ungezählten Höhepunkten, Rückschlägen, Comebacks und kleinen, feinen Episoden. Wo fängt man also an mit einem Rückblick? Wen fragt man zuerst nach seinen Erinnerungen? Niemand scheint dafür mehr geeignet als BR Volleys Geschäftsführer Kaweh Niroomand. All die Jahre hat er mitgefiebert, mal mitglitten, mal mitgefeiert. Und er war tatsächlich bei jedem Finalspiel der Berliner dabei. Einen besonderen Platz in seiner Rückschau nimmt der 1. Mai 2016 in der Max-Schmeling-Halle ein. Es war bekannt, dass sein Verhältnis zu Friedrichshafens Trainer Stelian Moculescu, gelinde gesagt, angespannt war. "Wir hatten jahrelang nicht miteinander gesprochen", erinnert sich Niroomand. An diesem Tag änderte sich das, obwohl die Berliner dem VfB gerade den Titel abgejagt hatten. Moculescu wollte nach der Saison seine Karriere beenden und war bereits enttäuscht aus der Arena gestürmt. "Seine Tochter holte ihn zurück. Wir hatten uns nämlich vorgenommen, ihn gebührend zu verabschieden", erzählt Niroomand. Er überreichte dem verblüfften Dauerrivalen Blumen und eine Auswahl sehr guter Weine. Auf der Anzeigetafel konnte Moculescu eine Laudatio auf seine Erfolge lesen. Der gebürtige Rumäne war nicht nur überrascht, er war auch gerührt. "Das war der Türöffner für unsere heutige Freundschaft", sagt Niroomand.

Auch für andere war dieser Tag besonders emotional. Für die Fans, die zum ersten Mal dabei sein konnten, als ihre Lieblinge im Volleyballtempel die Meisterschale in die Höhe stemmten, endlich. Trainer Roberto Serniotti feierte nicht nur 54. Geburtstag. Er hatte mit seiner Mannschaft nach dem Gewinn des Pokals und des europäischen CEV-Cups mit dem Meistertitel das Triple perfekt gemacht. Extrem glücklich war Berlins Diagonalangreifer Paul Carroll: "Es war sehr besonders für mich, weil ich vor den Augen meiner Eltern, meiner Frau und unseres kleinen Sohnes gewonnen habe." Der Australier wurde zum wertvollsten Spieler der Serie gewählt, das war ein kleiner Ersatz dafür, dass die Saison zuvor so unglücklich verlaufen war. Auch daran erinnert sich Niroomand nur zu gut. "Wir lagen in der Serie 2:1 vorn. Im dritten Spiel hatten wir Friedrichshafen mit 3:0 mehr oder weniger aus ihrer eigenen Halle geschossen. Alles war bereitet, unsere Arena war ausverkauft, der Regierende Bürgermeister war da. Aber dann verletzt sich Paul zwei Tage vor dem vierten Spiel." Ein Schock für sein Team, das sich zwar gegen die Niederlage stemmte und dennoch im Tiebreak trotz 13:11-Führung verlor. Am Bodensee dann ließen sich die Häfler die Chance nicht nehmen. Carroll schaute tieftraurig zu, "die Luft", erzählt Niroomand, "war raus. Dabei waren wir in der Serie davor richtig dominant."

Es war das einzige Mal in den vergangenen zwölf Jahren, dass die BR Volleys eine Finalserie verloren. Aber sehr oft ging es sehr knapp zu. Etwa 2013. Das fünfte Spiel fand am Bodensee statt, die Anführer des Berliner Teams waren Robert Kromm , Scott Touzinsky, Tomas Kmet, Felix Fischer und Carroll. Aber ein anderer machte im entscheidenden Moment die Punkte. Im Tiebreak wähnten sich die Gastgeber beim Stand von 8:4 schon auf der Siegerstraße. Eine Aufschlagserie von Roko Sikiric zum 9:9 leitete die Wende ein. Nicht nur deshalb war die Partie eine Werbung für den Volleyball. Mark Lebedew, der heute Friedrichshafens Trainer ist, fasste die Dramatik dieses Spiels so zusammen: "Ich habe heute alle sieben Stufen der Hölle erlebt." Er fügte erleichtert hinzu: "Und einige Stufen des Himmels auch."

Kurios war der Verlauf am Ende der Saison 2016/2017. Weil die BR Volleys das Final Four der Champions League erreicht hatten, wurde der Modus der nationalen Meisterschaftsserie auf "best of three" verkürzt. Serniottis Team verlor das erste Endspiel in Friedrichshafen glatt mit 0:3. Danach folgte die Reise nach Rom mit zwei Niederlagen gegen Zenit Kasan (RUS) und Cucine Lube Civitanova (ITA). Zurück in Berlin wurde der VfB mit 3:1 besiegt, wobei der sonst so besonnene Coach Serniotti so zornig wurde, dass ihm der Schiedsrichter die Rote Karte zeigte. Nach dem ersten Saisonsieg gegen die Häfler nach zuvor fünf Niederlagen konnte er wieder lachen. Erst recht nach dem folgenden 3:1 am Bodensee im 512. und letzten Spiel der Legende Felix Fischer . Kapitän Robert Kromm sagte: "Ich freue mich ganz besonders für Felix und dieses grandiose Ende einer noch grandioseren Karriere."

Es war der erste vergebliche Anlauf von Vital Heynen auf den Meistertitel. Mit der polnischen Nationalmannschaft ist der Belgier Weltmeister geworden, mit der deutschen WM-Dritter. Die BR Volleys allerdings schlugen ihm im entscheidenden Moment immer ein Schnippchen. Auch im zweiten Versuch. Da hatte er mit dem VfB sogar fünf Mal gegen Berlin gewonnen, um Bundesligapunkte, in der Champions League, im Supercup - ehe die Finalserie begann. Sein Gegenspieler war: Stelian Moculescu, der Mitte der Saison völlig überraschend den glücklosen Luke Reynolds als Trainer abgelöst hatte. Ein meisterlicher Schachzug für alle Beteiligten. Trotz vorheriger Pleiten im deutsch-deutschen Duell des Playoff-12 der Königsklasse bewahrte der Routinier die Ruhe und versprach: "Am Ende der Saison werden wir da sein." Die ersten beiden Finalspiele gewann sein Team, die nächsten beiden verlor es. Aber das war ja noch nicht das Ende. Das fünfte Endspiel in der ZF-Arena ging 3:0 an Berlin. Heynen tobte, Moculescu lächelte und trat mit seinem 20. Meistertitel ab. Ebenso Kromm und Carroll.

Der neue Trainer hieß Cédric Énard, und wer hätte vorhergesagt, dass er mit vier gewonnenen Meisterschaften der erfolgreichste in der Geschichte der Berlin Recycling Volleys werden würde? Er musste aber wie Lebedew vor ihm mehr als einmal "alle sieben Stufen der Hölle" erleben. Gleich im ersten Jahr mit den neuen Stützen Sergey Grankin, Benjamin Patch, Samuel Tuia und Moritz Reichert. Friedrichshafen gewann seine ersten beiden Heimspiele klar, Berlin seine knapp. Dramatisch wie die Serie verlief auch Spiel fünf. Die BR Volleys führten nach Sätzen 2:0, die Gastgeber glichen aus und verwandelten ihre Arena in ein Tollhaus. Patch ragte mit 29 Punkten heraus, doch den Matchball verwandelte Reichert mit einem Ass. Ausgerechnet auf die Arme von David Sossenheimer, der ein einziges großes Saisonziel formuliert hatte: am Ende Berlin schlagen. So stand der zehnte Meistertitel für die BR Volleys. Bitter verlief die folgende Spielzeit: Corona verhinderte Titel Nummer elf. Énards Mannschaft hatte national bis zum Abbruch der Saison zwei Spieltage vor Schluss der Punkterunde kein einziges Spiel verloren und musste sich mit dem Pokalsieg trösten. Recht eindeutig wurde der Gewinn der Meisterschaft ein Jahr darauf nachgeholt, drei Spiele reichten gegen ersatzgeschwächte Häfler. Allerdings durften immer noch keine Zuschauer am Erfolg teilhaben.

Die Spannung kehrte 2021/22 zurück - und Schritt für Schritt bei wechselnden Corona-Bestimmungen auch die Zuschauer. Zunächst die Spannung. Im ersten Finalspiel vergaben die Berliner nach 2:0-Satzführung zwei Matchbälle, verloren den Tiebreak 14:16. Der VfB legte daheim mit 3:1 nach. Mit reiner Willenskraft kehrten die BR Volleys zurück und wurden zum ersten Team der Geschichte, das ein 0:2 im Finale noch in ein 3:2 verwandelte. Dabei hat Niroomand besonders ein Akteur beeindruckt. "Samuel Tuia. Er war kein Stammspieler in der Saison. Énard brachte ihn mitten im vierten Spiel. Mit ihm kam die Wende. Nicht, weil er so unglaublich gut Volleyball gespielt hat. Du brauchst in so einer Serie Mentalitätsspieler wie Samu, die in der Lage sind, reinzukommen und zu sagen: So, Jungs, jetzt drehen wir das hier um." Die Hauptstädter drehten und erzwangen Spiel fünf. Plötzlich konnten wieder 8.553 Fans in der ausverkauften Schmeling-Halle dabei sein und bejubelten die nächste Meisterschaft mit spektakulärem Ende. Der unglaublich flinke Libero Santiago Danani fischte einen Ball fast aus der Zuschauerzone zurück aufs Spielfeld, Timothée Carle verwandelte zum 25:22, dem finalen Punkt nach vier Sätzen. Vermutlich der spektakulärste Matchball, der jemals eine Endspielserie der Volleyball Bundesliga beendete.

Énard schaffte in der Saison 2022/23 auch den nächsten Generationswechsel, ohne Grankin, ohne Patch, ohne Tuia, ohne Danani und Georg Klein . Dafür mit neuen Ankern wie Carle, Marek Sotola und Ruben Schott. Und natürlich Johannes Tille, der als zweiter Zuspieler verpflichtet wurde, aber im Finale dreimal wertvollster Spieler wurde. Richtig spannend wurde es selten, wenn man vorangegangene Serien zum Maßstab nimmt. Wieder sahen 8.553 Fans im Volleyballtempel zu, wie ihr Team die Serie in nur drei Spielen beendete. Emotionale Höhepunkte waren eine Rudelbildung im vierten Satz der dritten Partie, nach der Friedrichshafens Mittelblocker Andrew Brown das Spielfeld verlassen musste, und der Matchball-Block zum 27:25, eine Gemeinschaftsproduktion von Saso Stalekar und Marek Sotola.

Wie spannend die nächste Finalserie zwischen den "ewigen Rivalen" diesmal wird, ist schwer vorherzusagen. Aber wenn Berlin und Friedrichshafen sich gegenüberstehen, geht es eigentlich nicht ohne eine neue, denkwürdige Geschichte. Fest steht jedenfalls, dass es danach wieder nur einen Rekordmeister geben wird.

Alle Ansetzungen für das Playoff-Finale:
Spiel 1 | 15. Apr | Montag | 19.30 Uhr | Max-Schmeling-Halle
Spiel 2 | 17. Apr | Mittwoch | 19.00 Uhr | SPACETECH Arena
Spiel 3 | 20. Apr | Samstag | 18.00 Uhr | Max-Schmeling-Halle
Spiel 4* | 23. Apr | Dienstag | 19.00 Uhr | SPACETECH Arena
Spiel 5* | 28. Apr | Sonntag | 16.00 Uhr | Max-Schmeling-Halle
(*wenn zuvor noch keine Entscheidung gefallen ist)

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