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Richtig Dehnen mit Lena Asmus

Kaum ein Thema ist in der Sportwissenschaft heute noch so umstritten wie das Dehnen (engl. Stretching). Lena Asmus, 11-fache Deutsche Meisterin in der Rhythmischen Sportgymnastik, bringt Licht ins Dunkel und erklärt, wieso Dehnen dennoch sinnvoll ist.

Autor: Jörg Birkel

Die Liste der vermeintlichen Vorzüge des Dehnens ist lang: Durch Dehnen soll man leistungsfähiger werden, Verletzungen vorbeugen oder Muskelverkürzungen verhindern können. Dementsprechend ist Dehnen bei den meisten Sportlern immer noch ein integraler Bestandteil einer jeden Trainingseinheit.

Mehrere Studien haben allerdings in den letzten Jahren die Diskussion angeheizt, inwiefern Dehnen wirklich sinnvoll ist. In diesen Untersuchungen wurde unter anderem die Verletzungshäufigkeit bei erklärten Stretching-Freunden mit der von Dehnmuffeln verglichen. Das Ergebnis fiel eindeutig aus: Dehnen schützt nicht vor Verletzungen.

Vergleich mit der Tierwelt

Allerdings bedeutet dies nicht, dass Dehnen per se sinnlos ist. „Um Sinn oder Unsinn von Dehnübungen beurteilen zu können, müssen wir das komplexe System von Muskeln , Sehnen und Gelenken im Gesamtzusammenhang betrachten“, sagt Lena Asmus. Ein Blick in die Tierwelt hilft uns weiter: Abgesehen vom Menschen, stretcht sich kein Lebewesen auf Erden systematisch. Man stelle sich nur einmal vor, dass eine Katze sich erst noch dehnen müsste, bevor sie einer Maus hinterherjagt. Die Natur hätte sicher etwas falsch eingerichtet, wenn einer ungedehnten Katze auf der Jagd ernsthafte Verletzungen drohen würden.

Dennoch strecken sich Hunde und Katzen regelmäßig, etwa nach dem Aufstehen. Es muss also in jedem Fall ein Sinn hinter dem Dehnen stecken. Und den gibt es tatsächlich. Lena Asmus: „Durch Dehnübungen erhöht sich die Beweglichkeit, der Muskeltonus (Spannung in der Muskulatur) wird reduziert und muskulären Dysbalancen (Ungleichgewicht zwischen den Muskeln) wird entgegengewirkt.“

Über das Zusammenspiel von Muskeln und Gelenken

Muskeln haben die Aufgabe, Gelenke zu bewegen. Ein Muskel tut dies, indem er sich aktiv verkürzt. Er zieht sich zusammen und wirkt dadurch auf ein Gelenk ein. Eines kann dieser Muskel jedoch nicht: das Gelenk wieder in die Ausgangsstellung bringen. Dafür sorgt entweder die Schwerkraft oder der entsprechende Gegenspieler (Agonist-Antagonisten-Prinzip). Für jede Gelenkbewegung sind folglich Muskelpaare verantwortlich; der eine Muskel streckt, der andere beugt das Gelenk. Kommen Agonist und Antagonist, etwa durch Fehlhaltungen, aus dem Gleichgewicht, verkürzt sich die Muskulatur oder wird schwächer.

„Ein gutes Beispiel dafür ist der Schultergürtel: Aufgrund von täglicher Schreibtischarbeit sitzen wir in gebeugter Haltung vor dem Bildschirm. Kopf und Rücken wölben sich nach vorne, die Muskeln des rückwärtigen Schultergürtels werden gedehnt und mit der Zeit schwächer“, sagt die studierte Sportlehrerin. Im Gegenzug verkürzt sich die Brustmuskulatur, der Muskeltonus steigt. Diese muskuläre Dysbalance verfestigt sich mit der Zeit. Das Ergebnis ist eine Fehlhaltung, die zu Verspannungen und Rückenbeschwerden führen kann.

Mit ein bisschen Dehnen wirst Du dieses Ungleichgewicht kaum in den Griff bekommen. Es wäre auch vermessen zu erwarten, dass 20 Minuten Stretching 8 Stunden gebeugtes Sitzen ausgleichen können. Durch gezielte Dehnübungen ziehst Du die verkürzte Muskulatur zwar wieder in die Länge, doch dafür fehlt die Kraft im Gegenspieler. Die Fehlhaltung bleibt also bestehen. Um die muskuläre Balance wiederherzustellen, musst Du daher erst Deine geschwächten Muskeln gezielt kräftigen, bevor Du die verkürzten Muskeln in die Länge ziehst. Und dann macht Dehnen auch wirklich Sinn.

Richtig dehnen – Vor oder nach dem Sport?

Dynamisch, statisch, aktiv, passiv - es gibt verschiedene Stretching-Methoden. Welche dieser Methoden für Dich die richtige ist, hängt natürlich auch davon ab, welche Sportart Du betreibst.

Da Dehnen nicht als Verletzungsprophylaxe geeignet ist, kannst Du beim Training auf ausgiebige statische Dehnübungen verzichten. Anders sieht es vor einem Sprint-Wettkampf aus. Dynamische Dehnübungen mit leichtem Federn – aber nie über den Schmerzpunkt hinaus – erhöhen den Muskeltonus und aktivieren Deine Muskeln. So kommst Du schneller aus dem Startblock.

Statische Dehnübungen haben den gegenteiligen Effekt: Die Muskelfasern werden dabei auseinander gezogen, der Muskeltonus lässt vorübergehend nach und damit auch die Fähigkeit, möglichst schnell Kraft zu entfalten.

Direkt nach dem Training ist intensives Dehnen auch nicht ideal. Da die Muskulatur beim Stretchen ähnlich stark beansprucht wird wie bei einem Krafttraining, schadet es eher als es nützt. Die durchs Laufen eventuell leicht geschädigten Muskeln werden zusätzlich beansprucht.

Bei ungewohnten oder intensiven Belastungen kann man Muskelkater bekommen. Der Schmerz entsteht durch kleine Risse in der Muskulatur. Durch ausgiebiges Dehnen werden diese Mikrotraumen im Muskel noch verstärkt.

Dehnübungen solltest Du dementsprechend als zusätzliche Trainingseinheiten an separaten Tagen durchführen. Dann profitierst Du von den Vorteilen, ohne die Muskulatur zusätzlich übermäßig zu belasten. Durch statisches Halten senkst Du den Muskeltonus und beugst so Dysbalancen vor. Außerdem verbessert sich durch regelmäßiges Dehnen die Beweglichkeit. Aber wie bereits erwähnt, macht Dehnen nur dann Sinn, wenn Du gleichzeitig auch den jeweiligen Antagonisten kräftigst.

Die große Ausnahme stellen Sportarten wie Turnen und Kampfsport dar. Für eine saubere Bewegungsausführung ist Dehnen hier unerlässlich. Dementsprechend gehören Dehnübungen bei diesen Sportarten in jedes Aufwärmtraining.

netzathleten-Star und Dehn-Expertin: Lena Asmus (*05.05.1982), Sportlehrerin
Disziplin: Rhythmische Sportgymnastik
Größte Erfolge: 11-fache Deutsche Meisterin, EM Dritte 2000, Olympiateilnahme Sydney 2000

Und hier geht's zum Originalartikel von netzathleten.de

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